Juli 2004

Es folgten nun mindestens 5 Tierarztbesuche. Ich bekam Spritzen, wurde von allen Seiten betrachtet und musste fürchterliche Dinge hören. Ich hätte Bandwürmer, Würmer, Flöhe, ich sei viel zu früh von der Mama genommen worden und ich sei bei weitem nicht 9-10 Wochen alt, ich sei höchstens 4-5 Wochen alt. Vermutlich hätte ich auch eine Seuche und im Grunde genommen, sei ich aus tierschützerischen Aspekten einzuschläfern. Tom wurde es Angst und Bange und mir noch mehr. Ich war doch kaum auf der Welt. Auch wenn ich keinen grossen Namen trage, so bin ich doch ein Kätzchen, dass leben will und geliebt werden will. Ich will nicht über die Regenbogenbrücke gehen. Gott sei Dank, war da Tom meiner Meinung.

Zwischenzeitlich hatten sich seine Freunde kundig gemacht und in der Weltgeschichte, was immer das auch ist, herumgemailt und telefoniert. Eine Bekannte von Tom hat auch meine Züchterin, so nennt man die Frau, bei der ich die ersten Wochen war, angerufen. Sie meinte auf den Hinweis, dass sie Tom´s Kätzchen kennt: „…ich befürchtete schon, sie ist eingegangen, weil Tom sich nicht meldet“. Tom hatte zum Glück, nachdem er sich über meinen Zustand bewusst wurde, überhaupt keine Lust mehr, mit dieser Frau zu sprechen. Heute, wo ich wieder etwas durchatmen kann, möchte ich gesagt haben, dass ich mir verbiete, dass so abschätzend über mich oder meine Artgenossen gesprochen wird.

12.07.2004 Bianca, so heisst die Bekannte von Tom, wurde fündig. Eine liebe Züchterin in Deutschland hat sich meiner erbarmt und eine Frau in der Schweiz angeschrieben. Diese war entsetzt und bat, mit Tom sprechen zu können. Anscheinend haben ihr die Auskünfte nicht so gut gefallen. Auf alle Fälle hat sie dann nach einigem hin und her mit Bianca und Tom gemerkt, dass es eilt und dass ich so nicht mehr lange durchhalte und vor allem, dass mein kleines Katzenleben in höchster Gefahr ist.

18.07.2004 Die Frau in der Schweiz hat die Tierärztin der Uniklinik angerufen und gebeten, dass ich dort notfallmässig zu jeder Tages- oder Nachtzeit aufgenommen werden kann.

19.07.04 Heute hat die Frau auch mit meinem Tierarzt in Deutschland gesprochen. Er meinte, das lohne sich nicht, mich in eine Uniklinik zu bringen, ich sei total verseucht und man müsste mich heute Abend um 18 Uhr einschläfern, es wäre besser so. Das hat der Frau gar nicht gefallen und erst recht nicht, dass man keinen genauen Grund dafür angeben konnte. Es wurde mir ja nicht einmal Blut abgenommen, woher hat er denn gewusst, dass ich eine Seuche habe, das frage ich mich jetzt auch die ganze Zeit.

Nun liefen die Telefone heiss. Ich war schon viel zu schwach und lag nur noch in meinem eigenen Kot und Fell hatte ich auch schon fast keines mehr. Die Bauchschmerzen wurden immer unerträglicher und auch Tom wusste nicht mehr weiter und hat fast geweint.

Um 18 Uhr war ich mit Toms Freundin nochmals beim Tierarzt, der hat aber nichts mehr an mir gemacht, bin ich froh!

Dann sass ich nur noch im Auto. Nach ca. 2 Stunden wurde die Türe aufgemacht und jemand hat mich genommen und umgebettet. Ich war todtraurig und hundemüde und dachte, ist das vielleicht schon hinter der Regenbogenbrücke???

Aber nein, die Frau schaute immer wieder zu mir in den Kennel. Ich war mit einer Decke zugedeckt. Auch der junge Mann, der das Auto fuhr, war ganz entsetzt und ich merkte, dass sie wütend, traurig und irgendwie auch hilflos waren. Sie schauten mich immer wieder an. Dann kam wieder dieser Durchfall, es war mir fast etwas peinlich. Aber sie betteten mich wieder um und da dachte ich, ich kann noch nicht gestorben sein. Sicherheitshalber miaute ich mal, damit sie merken, dass ich noch da bin. Sie waren wirklich glücklich, dass ich noch lebe, das hat mir wieder Kraft gegeben.

Dann um 23 Uhr waren wir endlich in der Uniklinik. Der junge Arzt sah mich an und sagte, ob wir dieses Kätzchen durchbringen, ist mehr als fraglich. Sowas hätte er auch noch nie gesehen.

Aber die Frau sagte, zum Sterben hätte sie nicht nach Zürich kommen müssen, sie wird leben und sie will leben, sonst wäre sie schon lange tot. Was für ein wahres Wort! 

Dann wuschen die zwei mich, ich war auch froh, wieder etwas sauberer zu sein und der Tierarzt stach mich mit einer Nadel. Aber der Stich war nur kurz und dann blieb eine Kanüle liegen und endlich durfte ich mich ausruhen und eine Flüssigkeit strömte in meinen Körper und das tat mir gut. Ich schlief bis am anderen Morgen und machte mir nicht mehr so viele Gedanken.

20.07.2004 Und es wurde wieder Morgen. Nun kamen sie, die Spezialistinnen. Ach war ich froh, alle haben mich sofort gern gehabt. Jeder hat mich gestreichelt und alle hatten Mitleid mit mir, ich sage Euch, das hat mir bis tief in die Seele gut getan. Ich wurde gewogen, vermessen, gepieckst, es wurde mir Fieber gemessen, Paste in den Mund gegeben, ein richtiger Vollservice. Die Studenten kamen und der Dermatologe. Als die wieder alle weg waren, musste ich zuerst etwas schlafen. Ich habe nur noch gehört, dass man wieder telefoniert und über mich spricht, aber das war mir egal, ich fühlte mich geborgen.

21.07.2004 Die jungen Ärztinnen sind immer noch da. Frau Dr. A.B. wollte mich gleich adoptieren. Sie sagten jetzt, was mir alles so fehlt, ich wurde fast ohnmächtig vor Angst.

Ich habe Pilz, Milben, Würmer, Untergewicht, (600g), Durchfall, „dünner wie Bergluft“, ich habe einen leichten Schnupfen, die Ohren sind entzündet und ich kann nicht richtig auf meinen Füsschen stehen und Fell habe ich auch kein richtiges mehr. Alles ist wund und entzündet. Aber ich hörte nichts von einschläfern, das beruhigte mich gleich wieder.

21.07.2004 nachmittags

Juhu, ich habe Spielsachen bekommen. Die liebe junge Ärztin ist in die Stadt gefahren und hat mir Mäuschen, einen Wedel und sonst noch ein paar Dinge zum Spielen mitgebracht. Sie streicheln mich immer. Ich bin zwar noch zu schwach, spielen kann ich noch nicht, aber schauen kann ich.

22.07.2004 Der Durchfall ist vorbei, jetzt bin ich verstopft, das ist ja fürchterlich. Was müssen die nur von mir denken.

23.07.2004 Sie machen wieder besorgte Gesichter und haben Angst, ich könnte einen Darmverschluss haben, weil ich doch so viele Würmer hatte und diesen Durchfall. Dann tragen sie mich unter ein Gerät, das heisst Röntgengerät. Dort sehen sie, dass ich etwas im Darm habe, aber keine Flüssigkeit und keinen Darmverschluss, dass ist schon mal gut, sagen sie. Nun bekomme ich einen Einlauf. Endlich ist der riesige Haarballen draussen, das tut mir so wohl. Die Bauchschmerzen sind weniger geworden. Leider kriege ich nicht soviel zu essen, wie ich gerne möchte, da nützt auch mein Reklamieren nichts. Ich muss alle 2 Stunden essen, sagen sie. Das Essen muss mit Kochsalzlösung angereichert und speziell zubereitet werden.

Ich habe ja keine Infusion mehr. Sogar diese Worte kann ich mir jetzt schon merken. Mein Darm funktioniert noch nicht richtig. Ich darf auch nicht zuviel Wasser haben, sonst bekomme ich eine Wasserintoxination. Was immer das auch ist.
Hier sind sie sehr professionell, die wissen Dinge, da kann so ein kleines Kätzchen nur staunen. 

24.07.2004 Ich kann immer noch nicht aufs Klo. Die Chefin kommt extra für mich, um meinen Darm zu massieren. Das ist eine spezielle Technik, die kann nicht jeder. Aber für mich machen sie es. Mir spielt es schon lange keine Rolle mehr, dass ich keinen Namen trage. Ich werde umsorgt und geliebt und die Frau, die mich gefahren hat und Tom und Bianca und viele Menschen auf der Welt erkundigen sich nach mir. Jetzt weiss ich, ich will leben und das Leben ist schön. Ich fühle, es gibt Menschen, die lieben auch kleine Katzen, die elendlich sind, nicht schön sind, die kein Fell und aber viele Tiere haben , die sich Parasiten nennen, die auf und in ihnen wohnen. Das tut gut und gibt Kraft, soviel Kraft, dass ich sogar schon wieder richtig auf den Füssen stehen kann, die Tierärzte sind stolz auf mich. Sie wissen, ich bin eine Kämpfernatur. Sie wissen, ich bin Leukose und FIV negativ, es kann nun nur noch aufwärts gehen!

25.07.2004 Heute ist Sonntag und diese Tierärztin mit den begnadeten Händen kommt wieder und massiert mich wieder. Sie hat zwar noch etwas Angst, dass ich ein Hirschfelsyndrom haben könnte. Da würde mein Darm nicht selbständig arbeiten und das wäre nicht so gut. Aber ich habe keins, ich bin nur noch nicht ganz auf dem Damm. Heute hat sie, weil Sonntag ist und weil durch die Massage mein Darm wieder funktioniert, mich gebadet und trockengeföhnt, es war nicht so toll, aber das Bademittel hat meiner verletzten Haut gut getan und ich muss sagen, ich bin schön :-))

Endlich bin ich richtig sauber und kann mich selber wieder riechen. Meine paar Haare, die ich noch habe sind weich und ich fühle mich wohl. Nun muss ich noch was essen und dann schlafe ich wieder, der Gesundheit entgegen.

26.07.2004 Heute ist Montag. Auch bei mir im Spital ist wieder der Alltag eingekehrt.

Endlich konnte ich das erste Mal aufs Klo!

Frau Dr. E. M. und alle anderen haben sich total gefreut und ich mich auch. Nun kann ich wieder in die Zukunft sehen und von meinem Zuhause träumen, wo Tom und Julia sehnsüchtig auf mich warten. Es ist schön, geliebt zu werden. 

27.07.2004 Mit Unterstützung meiner Darmtätigkeit durch eine milde Paste und einer leichten Massage, scheint es auch in Zukunft zu klappen, dass ich aufs Klo kann. Leider haben sich meine Schnupfensymptome verstärkt und ich muss jetzt inhalieren Aber das mache ich gerne, denn ich habe wieder eine Perspektive und ich will gesund werden. Alle in der Klinik merken das und unterstützen mich, wo sie nur können.

28.07.2004 Der Schnupfen ist noch da, aber meine Augen sind ok. Auch die Milben haben noch nicht das Weite gesucht, aber wir halten sie in Schach und sobald es mir etwas besser geht, werden wir gegen sie angehen, auch gegen den Pilz. Aber meine Tierarztfreunde sind der Meinung, zuerst muss ich noch mehr bei Kräften sein. 

29.07.2004 Ich bin eine selbstbewusste junge Katze geworden, ich habe zugenommen und darf jetzt soviel essen, dass ich nur noch alle 4 Stunden gefüttert werden muss. Mein Fell sieht schon bedeutend besser aus. Natürlich dauert es noch lange, bis ich nach Hause kann, aber ein Lichtstreifen zeigt sich am Horizont. Ich wiege jetzt schon über 700 Gramm und wenn sie mir all das zum Fressen geben würden, was ich so in meinen Bauch kriegen könnte, wäre ich schon viel schwerer, das sage ich ihnen jeden Tag ganz laut. Aber sie trösten mich und bitten mich um Geduld. Die Inhaliererei tut mir zwar gut, aber Spass macht es nicht wirklich.

30./31.07.2004 Es geht mir langsam besser und endlich bin ich kräftig genug und kann selbständig spielen. Besonders gerne mag ich die Catnip-Spielsachen. Auch auf’s Klo gehe ich jetzt und es klappt. Die Tierärztinnen meinen zwar, ich sei noch nicht ganz über dem Berg und es könnte sein, dass ich einen bleibenden Schaden davontrage. Aber ich gebe mein Bestes. Ich bin nur manchmal etwas traurig, weil ich lieber Zuhause wäre. Aber ich muss noch inhalieren, denn mein Schnuppen ist immer noch da. Tom hat mir ausrichten lassen, dass er auch Sehnsucht nach mir hat, das tut gut.